ZitatAlles anzeigenVertrauensfrage Schröders bis zum 1. Juli
Berlin (dpa) - Bundeskanzler Gerhard Schröder wird spätestens bis zum 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, um vorzeitige Wahlen im Herbst herbeizuführen. Dies kündigte SPD-Parteichef Franz Müntefering am Montag nach einer Präsidiumssitzung in Berlin an.
Zuvor hat sich das SPD-Präsidium einstimmig für Neuwahlen zum Bundestag in diesem Herbst ausgesprochen. Der Parteivorstand werde darüber am Dienstag entscheiden
Unterdessen wird die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nach übereinstimmenden Signalen von CDU-Spitzenpolitikern im Fall einer vorgezogenen Bundestagswahl Kanzlerkandidatin der Union. CSU-Chef Edmund Stoiber soll nach einem Machtwechsel im Bund eine herausragende Rolle in Berlin übernehmen.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte vor einer CDU- Präsidiumssitzung in Berlin: "Von keinem in der Union werden Sie etwas anderes hören, als dass Angela Merkel unsere Kandidatin ist." Die "Kollegen von der CSU" dächten genauso. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust sagte, es laufe "sehr eindeutig" auf Merkel hinaus. Ähnlich äußerten sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und Sachsens Regierungschef Georg Milbradt. Merkel ging auf diese Äußerungen vor der Sitzung nicht direkt ein. Sie verwies darauf, dass es am kommenden Montag eine gemeinsame Sitzung der Präsidien von CDU und CSU gebe - dort würden die Personal- und Sachfragen geklärt.
Stoiber werde die "wichtigste Rolle spielen, die man als CSU- Vorsitzender in einer Bundesregierung spielen" könne, sagte CSU- Landesgruppenchef Michael Glos vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. In Berlin wird davon ausgegangen, dass sich Stoiber als künftiger Außenminister oder als "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit sieht. Er selbst nahm dazu nicht direkt Stellung: "Wir werden sehr geschlossen und sehr gemeinsam in den Bundestags-Wahlkampf ziehen." Merkel und er hätten noch am Sonntagabend einen bereits vor Monaten aufgestellten Zeitplan "angepasst".
Führende Sozialdemokraten stellten sich hinter die Strategie von Schröder und Müntefering. Die Parteilinke Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach von einem "absolut konsequenten" Vorgehen. Der rheinland- pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck bezeichnete eine vorzeitige Neuwahl als "vernünftig und notwendig".
SPD-Linke wie Andrea Nahles oder Juso-Chef Björn Böhning sprachen sich für einen Kurswechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aus. Fraktionsvize Michael Müller sagte im ZDF: "Wir brauchen ein inhaltliches Thema, das eine Kontroverse zur Opposition deutlich macht. Und das ist aus meiner Sicht die Fortsetzung der Kapitalismuskritik." In der Chemnitzer "Freien Presse" forderte er Änderungen bei einzelnen Punkten der Hartz-Reformen.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sieht in der Neuwahl eine Chance für Rot-Grün. "Diese ganze rot-grüne Kombination muss sich schon neu aufstellen, wenn sie erfolgreich sein will", sagte er im ZDF. Seine Co-Vorsitzende Claudia Roth begrüßte den Plan für eine Neuwahl und kündigte einen klaren Richtungswahlkampf an: "Wir werden deutlich machen, was sozialökologische Erneuerung heißt."
Die CDU hatte am Sonntag nach 39 Jahren SPD-Vorherrschaft die Macht im größten Bundesland NRW und damit die letzte rot-grüne Bastion erobert. CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers kann in einer Koalition mit der FDP mit klarer Mehrheit an Rhein und Ruhr regieren. Unter dem Eindruck des CDU-Triumphs trat Schröder schon zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale die Flucht nach vorn an und kündigte an, er wolle noch im Herbst bei einer vorgezogenen Wahl über die Bundesregierung entscheiden lassen.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, sagte, die Entscheidung für eine Neuwahl sei konsequent. "Deutschland kann sich quälende Diskussionen bis Ende nächsten Jahres nicht leisten." DGB-Chef Michael Sommer sagte, der Deutsche Gewerkschaftsbund sei "parteipolitisch neutral" und werde deshalb "alle Parteien mit seinen Anforderungen an eine sozial gerechte Reformpolitik konfrontieren".
Quelle: GMX.de