Wenn ich schon gerade dabei bin, versuche ich es halt mal mit einem typisch mißmutigen CP-Beitrag .
Ich weiß gar nicht mehr genau, ob ich das Folgende schon auf NeSp gepostet hatte. Ich glaube schon. Liegt es dann irgendwo hier rum und ist jetzt doppelt gepostet? Falls ja, sorry. Mich würden einfach mal prinzipiell die Reaktionen auf folgenden Beitrag interessieren bzw. wie ein Großteil der maggied.de-Leute dazu steht.
Nochmal generell zum Problem, das Thema macht mir gerade irgendwie Laune zum Posten: ich bemühe mich ja auch stets, freundlich zu aktuellen S1x-Staffeln zu sein und in den vergangenen Jahren (besonders im Mittelfeld der Jean-Ära, also S15/S16) gab es auch gute Entwicklungen. Da gab es IMO Folgen, die eben durchaus das Potential hatten, sowohl Langzeitfans, als auch die neue Zielgruppe zu "bedienen". Sicher nicht mit dem Stil der klassischen Jahre, aber ich hatte den Eindruck, daß die Macher um Al Jean bemüht waren, so manch spezielle Eigenschaften der Serie (den Stil, die Vielfältigkeit, den Respekt für Zuschauer und Charaktere) halbwegs zu würdigen.
Seit etwa Staffel 17 habe ich aber wieder den deutlichen Eindruck, daß das alles zugunsten des größtmöglichen Marktes vernachlässigt wird. Das Motto scheint mir zu sein: wofür noch Fans der ersten Stunde und/oder Freunde von Tiefgang und durchdachter Handlung ansprechen, wenn der kritikfaule Gelegenheitszuschauer und all die ROTFL-Kiddies die Quote genauso füllen? Gerade Staffel 19 ist IMO ein perfektes Beispiel für die erneute Zuwendung an den Massenmarkt. Und das geht soweit, daß ich Folgen aus der Staffel neulich buchstäblich in den Mülleimer geworfen habe, weil ich sie kein zweites Mal mehr sehen wollte. Das ist kein gutes Zeichen.
In den klassischen Jahren war die Serie ein riesiger Schatz (jepp, ein weit größerer Schatz als ein kewles Autogramm von Matt Groening) von Zitaten und Referenzen auf Literatur, auf Kunst, auf klassisches Kino etc etc., das Ganze durchdrungen von echtem Respekt für die Charaktere, von Denkanregung, von scharfer Sozialkritik auf subtilste Weise, von Tiefgang. So ganz nebenbei fügte sich all das zusammen mit dem storybezogenen Humor flüssig in echte Handlungen ein, die uns etwas Ambitioniertes zu erzählen hatten.
Wobei die Ambition eben nicht nur Humor und Sozialkritik war, sondern auch jene, Dinge zu tun, die im US-Cartoonwesen einfach Neuland waren, wie z.B. das Seelenleben der Charaktere und deren Ängste und Hoffnungen zu erforschen ("Moaning Lisa", "Fast Lane", "Substitute" und viele mehr bis rauf zu "4 Ft 2" in S7) Und das Ganze in Balance mit guten Spaß- und Humorfolgen, auch diese natürlich mit Stil und dem Geist der frühen Jahre. Die letzten Produzenten, die das richtig erkannt und umgesetzt hatten, waren IMO Oakley und Weinstein in S7/S8.
Und trotz all dieser Zitate und Verbindungen war die Serie bei Zuschauerschichten jeden Alters beliebt. Man musste die Zitate und Anregungen nicht erkennen, um Freude an der Folge zu haben (das berühmte laterale Apropos), aber sie waren immer der große Bonus. Nur was passierte jetzt in den letzten Jahren und speziell in Staffel 19? Etliche Gags sind reinkonstruiert, irrelevant für die Handlung, überdehnt und wiederholt, fast alles ist für den größtmöglichen Zuschauerkreis "dick unterstrichen", lasche (Popkultur-)Referenzen und Gags werden sofort und umfangreich erklärt. "Handlungen" sind bis auf wenige Ausnahmen Standardschemen oder ziellose Anhäufungen von Gags und Laufzeitvergeudung zugunsten seichter Unterhaltung - siehe z.B. mein Review zu "You Kent Always Say".
Dies alles wohlgemerkt nicht immer, aber gerade in den letzten Jahren immer öfter. Es gibt in S19 durchaus auch mal eine Citizen-Kane-Referenz, die unerklärt bleibt, oder einen schönen Charaktermoment, aber all das droht nun in einer Flut von "Massenmarkt-Qualitäten" erneut unterzugehen. Ein gutes Beispiel sind hier auch die Schlüsse bei Al Jean: gab es früher Schlüsse, die den Zuschauer einfach emotional beeindrucken wollten ("Mother Simpson" & Co) und dadurch Wirkung hatten oder Schlüsse, die auch dunklere Töne und Denkanregungen hatten ("Two Cars" & Co), ist der Schluß heute fast aus Prinzip ein Gag oder eine lustige Szenenmontage. Warum? Damit die Zuschauer mit einem leichten Lacher gehen und beim nächsten Mal sicher wieder Teil der Quote sein werden.
Und das zeigt einen groben Mangel an Respekt, sowohl für das Potential der Serie, als auch für die Charaktere und deren Eigenschaften und Vergangenheit - last but not least natürlich auch Mangel an Respekt für den Zuschauer selbst. Und das betrifft selbst die ROTFL-Kiddies, denn auch die bekommen halt nun vorzitiert, wo der gelbe Spaß sitzt und wo sie zu lachen haben. Die stört das nur eben nicht und daher sind sie nun die große Zielgruppe. Und schon haben wir die beste Staffel aller Zeiten. Sehr, sehr schade.
Und ich glaube nicht, daß wir aus dieser Misere nochmal rauskommen. S15 wäre IMO die große Chance gewesen, mittlerweile ist die verspielt. Trotzdem hoffe ich halt weiter und versuche es zu vermeiden, Folgen in den Mülleimer zu werfen (bei S19 hat das leider nicht geklappt.) Es gibt zwei oder drei interessantere Folgen in der Staffel und ein paar treffende Anregungen und Bezüge, aber die Simplifizierung und Abwärtstendenz bzw. die Stagnation ist mir zu überdeutlich. Es wäre wohl auch an der Zeit für einen neuen Executive Producer, aber ob das noch was bringt?
In Deutschland haben wir darüber hinaus auch das Problem, daß gerade die Leute, die neue Folgen aus Prinzip gut finden, oft mit grobem Unverständnis und aggressiv auf Kritik daran reagieren. Als echter und loyaler Fan muß man die neuen Folgen gut finden, man darf die kewlen Gelben nicht kritisieren, alles ist so lustich und so muß es auch sein. Und Folgen, in denen es anders war und die nicht so lustich waren, sind von früher und langweilig. Bläh. In den USA ist das IMO etwas anders, auf NHC gibt es z.B. durchaus auch Leute, die neue Folgen und Staffeln auf bestimmte Weise gut finden, dies aber auch ausführen und begründen können und wollen.
Und das ist mit ein Grund, warum dort noch traffic und Leben ist, drts und NeSp dagegen am Ende sind. Und da spielt auch wieder die deutsche Mentalität mit rein, die Trickserien als Kinderformat betrachtet. Ein Sender wie Pro7 tut da natürlich auch nichts dagegen, dies zu hinterfragen, sondern stopft halt alle quotenschwachen Programmlücken mit den "gelben Chaoten" voll und übersättigt das TV-guckende Publikum. Deswegen quittieren viele Langzeitfans aktuelle Folgen nur noch mit einem untätigen Achselzucken (mit Blick auf die S19-Qualität kann man ihnen das auch nicht verdenken) und haben generell auch keine Lust mehr, ältere Folgen und Klassiker oder positive S1x-Aspekte aktiv anzugehen und zu diskutieren. Die Medienüberschwemmung im Digitalzeitalter, in der selbst ein brillanter Staffel-2-Klassiker nur noch ein Krümel im digitalen Terabyte-Ozean ist, trägt sicher auch mit dazu bei. Aber das ist ein anderes Thema.
Was bleibt, sind Kurzzeitfans und die junge Zielgruppe, die gerade hierzulande durch die Mentalität von jugendbezogener Unterhaltung auch keine Motivation für "mehr" hat und Kritik als langweiligen Verrat am Spaß betrachtet. Die werden sicher auch älter, laufen dann aber vermutlich eher zu den krasseren (In-)Serien, als sich für die Simpsons-Qualitäten hinter der Unterhaltung offen zu zeigen. Und daher bleibt die neue kritische Mitte hierzulande wohl weiterhin eine Utopie.
Chris