Noch ein guter Nachzügler mit Marge als Hauptfigur. Eine äußerst positive Überraschung. Es ist eine dieser Folgen, bei der man den Eindruck hat, daß sie gar nicht krampfhaft versucht, herauszuragen, und gerade deshalb unterhaltsam genug für knapp 22 Minuten ist.
Wie schon letzte Woche fällt auf, daß der Sinn für Humor die richtigen Wege geht. Humor ist eine viel zu oft übersehene Grundkomponente dieser Serie neben den "reiferen" Aspekten wie Emotion und Gesellschaftskritik. Der Humor ist durch Mike Scully zwischenzeitlich in Verruf geraten. Auch in der Ära Jean kam es bislang selten vor, daß man bei all den drübergestreuten generischen Witzchen richtig mitlachen konnte - "She Used To Be My Girl" kann man diesen Vorwurf jedoch nicht machen. Einfach herrlich, wie Homer glaubt, die Damen würden sich um ihn streiten, wie Lisa inmitten ihrer hochtrabenden Überlegungen von Bart vom Ast geschubst wird - ja, und sogar der Luigi-Witz ist ausnahmsweise *lustig* ...!
Über derartiges kann man sich nun natürlich lange streiten. Es ist immer subjektiv. Ich persönlich hatte einfach den Eindruck, daß die Autorenmannschaft diesmal ein besonders glückliches Händchen bei der Auswahl der Witze hatte.
Zuvor wurden Emotion und Gesellschaftskritik angesprochen. Diese beiden Dinge kommen in dieser Folge genauso vor. Die Attacken auf FOX und die Anspielungen auf die allzu unkritischen Medien sind so plump, daß sie schon fast wieder zynisch wirken (das Abspielen von "We Are The Champions" ist der Gipfel der Übertreibung) aber im Mittelpunkt steht die Frage, ob für eine Frau Karriere oder Familie wichtiger sein soll.
Das ist natürlich ein heißes Thema, und so politisch, daß es politischer gar nicht mehr geht. Was haben die Autoren daraus gemacht? Im Rahmen der Möglichkeiten, die der Jean-Stil der heutigen Simpsons-Ära bietet, recht viel. Marge zeigt mehrere Facetten ihres Charakters. Mutterliebe und Familiensinn demonstriert sie ebenso wie die Sorge, etwas im Leben verpaßt zu haben, das Gefühl, für ihre Leistungen nicht genügend Anerkennung zu bekommen (sie schrubbt die von Homer dreckig gemachte Wanne sauber, und niemanden kümmert's), und schließlich der blanke Neid auf ihre erfolgreiche Freundin.
Es spricht für die Folge, daß kein einziger dieser Gefühlszustände gezwungen wirkt. Es paßt alles gut zusammen. Der Zuseher kann sich selbst einen Reim darauf machen, was für Marge das Richtige ist oder gewesen wäre. Dieser neutrale Standpunkt ist der Kern der Simpsons-Philosophie, und "She Used To Be My Girl" richtet sich danach. Es wäre leicht gewesen, den Archetypus der eiskalten Karrierefrau herunterzumachen und das wonnige Familienglück zu glorifizieren, oder Marge im Gegensatz dazu als bemitleidenswertes Hausmütterchen hinzustellen, das seiner Unterdrückung entrinnen muß. Die Folge läßt sich aber in keine dieser Schubladen einordnen.
Wie eine Fremde wirkt Marge nur, als sie sich mit Chloe auf dem Rasen prügelt und dabei ein blaues Auge kassiert. Das hätte doch nun wirklich nicht sein müssen!
Beim Thema Charakterisierung muß dafür erwähnt werden, wie toll Homer, Bart und Lisa getroffen sind. Homer ist der gute, alte liebenswerte Tolpatsch, der einige lustige Szenen hat, ohne gehässig und übermäßig dumm zu wirken, und Bart wirkt gar so abgeklärt wie früher (man beachte seine Idee, sich als Quimbys Sohn auszugeben).
Besonderes Augenmerk muß man Lisa widmen. Sie hat zwei Gründe, zu Chloe aufzublicken. Einerseits einen ideologischen, weil Chloe ihrer Vorstellung von Emanzipation und Feminismus entspricht, andererseits den kindlichen; Chloe symbolisiert für Lisa die große weite Welt, die ihr das Elternhaus nicht bieten kann. Genau das paßt perfekt zur Lisa, die wir kennen. (Sich gegen Marges Willen im Auto von Chloe zu verstecken ist aber möglicherweise leicht übertrieben für ihren Charakter.)
Weitere Sympathiepunkte gewinnt "She Used To Be My Girl" durch ein paar kurze, aber nette Rückblicke auf die High-school-Zeit von Marge und Homer. Ist doch immer wieder schön, die beiden in ihrem "The Way We Was"-Erscheinungsbild zu sehen. Daß es auch eine Staffel-11-Referenz gibt, wird dadurch neutralisiert, daß sich die Referenz (Barneys Hubschauber-Rettungsaktion) glücklicherweise auf die beste Folge dieser Horrorstaffel bezieht.
Schade, daß die Auflösung der Handlung suboptimal ist. Ein ausbrechender Vulkan und eine actionreiche Rettungsaktion von Marge: Überflüssig, störend und unpassend! Das beeinträchtigt das Gesamtbild stark. Lisa scheint die Lebensgefahr nicht richtig zu begreifen, Homer auch nicht. Es hängt plötzlich der traurige Schleier des Cartoonhaften über dem Geschehen. Ich hätte mir gewünscht, daß Lisa im Schlußteil der Folge auf eine andere, weniger aufsehenerregende Art und Weise herausfindet, daß Chloe doch keine perfekte Frau ist. Die Frauenkonferenz hätte beispielsweise die Möglichkeit geboten, Chloe so darzustellen, daß ihr die Anliegen der Frauen nicht in dem Ausmaß wichtig sind, in dem Lisa es vielleicht gerne gehabt hätte. Diese Chance wurde vertan. Statt dessen gibt es ein paar lahme Szenen rund um einen Lavafluß. Wie gesagt: Schade drum!
Trotzdem überwiegt eindeutig das Positive. Ich habe zum Zeitpunkt, da ich dies schreibe, keine Ahnung, wie die Folge bei anderen Fans angekommen ist, und deshalb wage ich hiermit einfach eine besonders freche Note: 2
Punkte:[11]
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Zitat
Die deutsche Synchro ist akzeptabel, warum alle von einem "Diamanten-Joe" Quimby sprechen, erschließt sich mir allerdings nicht.
Immerhin wurde "to rule" diesmal richtig übersetzt. Das war ja nicht immer der Fall
Dafür wieder die Sache mit dem "Monitor". Ich weiß, daß computertechnische Dinge zu den größten Schwächen von Ivar zählen, aber es hätte ja trotzdem sein können, daß er zufällig weiß, daß das deutsche "Monitor" und das englische "monitor" nicht haargenau dieselbe Bedeutung haben müssen.