Die Autoren versuchen in dieser Folge, mit witzloser Schwarzweißmalerei, alles andere als zeitlosen Anspielungen und überdeutlicher Parteilichkeit gesellschaftliche Kritik am Amerika der puritanischen Bibeltreuen, der Kreationismus-Fans und der doppelmoralischen Kirchgänger zu üben, und erleiden dabei Schiffbruch.
Weil aber auch die plumpsten Anspielungen für manche sich vom Fernsehen berieseln lassende Zuseher zu anspruchsvoll sein könnten, gibt's in der Handlung noch eine andere Hälfte, die sich darum dreht, daß Humer den Clown spielen darf. Mehr als einmal muß sich der leidgeprüfte Fan ob der mannigfaltigen Niveaulosigkeiten auf die Stirn schlagen.
Und er fragt sich dabei: Wo sind sie nur, die Zeiten, als es die Simpsons-Produzenten schafften, ein umstrittenes Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, wie es sich für eine richtig gute, satirische Behandlung gehört? In der Vergangenheit gelandet, wie es scheint. Denn diese Folge ist von allen zum Thema Kirche und Christentum bis jetzt die anstößigste. Ich wette, daß sich viele Gläubige geradezu beleidigt fühlten, nachdem sie sie das erste Mal gesehen hatten. Die Geschichte ist durch und durch religionsfeindlich, indem sie alle Klischees vom arroganten amerikanischen Christentum bedient, ohne auch nur einen Schimmer Positives am Horizont zu zeigen.
Das von Bart stolz präsentierte "Klugscheißer"-Buch müssen die Autoren selbst sehr aufmerksam gelesen haben. Es fehlt an gar nichts, was hierzulande ein oberflächlicher, hochnäsiger Kritiker an verallgemeinernden Vorwürfen über den Atlantik schleudern könnte: Das Wörtlichnehmen von Bibelpassagen wird durch den Kakao gezogen, die Doppelmoral zwischen Sex und Blutspritzerei lächerlich gemacht, und über die verzerrten Vorstellungen von Europa (Zauberschulen und Liberale ...) werden auch Witze gerissen. Eine Bestandaufnahme der derzeitigen Lage von Politik und Kirche in den USA wäre nicht komplett ohne Verweis auf Michael Moore, und so wird auch der noch rechtzeitig eingeschoben.
All diese Referenzen sind, so leid es mir auch tut, völlig plump und entbehren jeglicher Inspiration. Ja, es ist gut, wenn sich die Macher trauen, das Thema Kirche in den USA anzuschneiden, und sich nicht scheuen, sarkastische Kritik an gewissen Zuständen im Land zu üben, aber bitte nicht so! Die traurige Wahrheit ist nämlich die, daß ein 20 Minuten lang eingeblendeter Text "There are many things wrong with Christianity in the USA" haargenau dieselbe Aussagekraft und philosophische Tiefe - und ungefähr denselben Unterhaltungswert - hätte wie alles, was die Folge auf die Beine stellt.
Mit dem Finger auf die aktuelle religiöse Lage in Jesusland zu zeigen, dazu braucht es keine Kreativität. Beim Anblick eines Landes, in dem gewisse Gesellschaftsschichten fordern, die Schöpfungslehre (auch bekannt unter dem wissenschaftlicher klingenden Namen "Intelligent Design") gleichberechtigt neben der Evolutionstheorie im Biologieunterricht zu bringen, mag man sich denken: Difficile est saturam non scribere. Gleichzeitig allerdings muß es heißen: Difficile est saturam scribere. Es ist schwierig, eine Satire darauf zu schreiben. Erstens muß man darauf achten, die vielen normalen Gläubigen nicht in einen Topf mit den Fundamentalisten zu werfen, und zweitens haben die Sache schon unzählige Leute zuvor parodiert. Mit mehr Erfolg als diese Folge, die völlig dabei versagt, dem Thema irgendetwas neues hinzuzufügen. In grellen Farben und schrillen Tönen wird die Problematik der Kirche in den USA mundgerecht aufbereitet, darauf bedacht, nur ja nicht zu vielschichtig zu werden, indem etwa hinterfragt würde, warum Ned eigentlich so verbissen agiert.
Kaum zu glauben eigentlich, daß dieses unsubtile Machwerk zur selben Fernsehserie gehört wie der vielgerühmte Klassiker "Homer The Heretic". Jene Folge machte all das richtig, was ihre böse Staffel-16-Schwester falsch macht. Die Charaktere waren damals noch keine Karikaturen ihrer selbst, und in Sachen "das Thema von verschiedenen Seiten beleuchten" brillierte die Handlung, indem sie Pro und Contra des Glaubens ganz nüchtern analysierte. Mag sein, daß sich im echten Leben inzwischen einiges an der politischen Landschaft in den USA geändert hat, aber trotzdem ist alles, was diese Folge an Kirchen-Kritik hervorbringt, hoffnungslos überzogen, begrenzt komisch, satirisch mehr als stumpf und über alle Maßen unsympathisch.
Und Ned muß als Symbolfigur dieser Glaubenskarikatur herhalten. Er wird diesmal so dumm und böse dargestellt wie nie zuvor. Erst schimpft er wütend mit seinem Sohn, dann produziert er unglaublich gewalttätige Filme, prangert auf primitive Art und Weise Schwulenehe und Stammzellenforschung an, nimmt Marges Kritik an seinem Film nicht ansatzweise ernst, und schließlich versucht er, seinen Glauben bei der Halbzeitshow einem Milliardenpublikum aufzuzwingen. Vorher äußert er sich noch abfällig über Michael Moore. Fürchterlich. So eine Ned-Demontage hätte es nicht einmal unter Mike Scully gegeben. Wenn das in dieser Tonart weitergeht, sehen wir den ehemals sympathischen und stets harmlos auftretenden Nachbarn, der Homer mit seiner endlosen Gutmütigkeit auf die Palme brachte, demnächst Jack-Chick-Comics austeilen. So weit ist es mit ihm gekommen. Jerkass-Ned.
Die andere Story, mit Homers Hampelmann-Job und den uninteressanten Sportlern, ist vollgestopft mit kindischem Blödelhumor. Traurig, traurig. Findet es denn wirklich irgendjemand witzig, wenn ein Zuschauer seinen Kopf durch Marges Haare steckt, um das Spiel zu sehen? Schlimm auch, wie Homer Lisa den blanken Hintern entgegenstreckt. Bestenfalls sind solche Einlagen Ausdruck tiefer Einfallslosigkeit. Einen positiven Aspekt haben die humoristischen Positionierungen freilich: Die Serie paßt dadurch besser ins Sendekonzept von Pro7. Was soll man auch zwischen der tausendsten Fließband-Sitcom, dem zigsten Populärwissenschaftsmagazin und dem x-ten "Blockbuster" mit durchdachten Geschichten und niveauvollem Humor im klassischen Simpsons-Stil anfangen? We love to entertain you ...
Irgendeinen tieferen oder höheren Sinn habe ich in der Folge nicht ausmachen können. Sie endet abrupt in dem Moment, wo man sich noch irgendeine Aussage erwartet, irgendeine Erklärung, was die ganze Chose denn nun eigentlich sollte. Warum um alles in der Welt buhen die Superbowl-Zuschauer Homers Halbzeitshow aus, wo doch Neds Filme bis dahin immer toll beim Publikum ankamen? Und wenn wir schon dabei sind: Die Handlungswende, in der Marge einen Boykott von Neds Filmen erzwingt, ist komplett unglaubwürdig, von vorn bis hinten konstruiert. Warum läßt sich Burns bloß davon beeindrucken, daß eine einzige Kundin von nun an Atomstrom ablehnt? Oder paßt ganz Springfield von einem Moment auf den anderen seine Meinung an die von Marge an, einfach so? Was für ein billiges Stückwerk diese Handlung doch ist. Gottlob hat man wenigstens darauf verzichtet, Lisa in das parodietechnische Trauerspiel miteinzubeziehen. Ihr vor drei Staffeln aus dem Hut gezauberter Buddhismus hätte bestimmt Stoff für viele weitere geschmacklose Gags und peinlich dramatisierte politisch-religiöse Anspielungen geliefert.
Statt irgendeiner sinnvollen Botschaft gibt's also zum Abschluß einen wahnsinnig lustigen Gag, als Marge sagt, sie habe aus den Eiern, die aufs Haus geworfen wurden, Omelettes gemacht. Ha ha ha. Die Geschichte hört so sinnlos auf, wie sie mit dem unmotivierten Katzenfrau-Sketch und dem nicht totzukriegenden Die-Simpsons-besuchen-eine-Ausstellung-Aufhänger beginnt.
So schließe ich nun mit der bedrückenden Feststellung, daß "Homer and Ned's Hail Mary Pass" es schafft, "The Frying Game" den Titel "schlechteste Al-Jean-Folge aller Zeiten" streitig zu machen. Schade um die Videokassette, die beim Aufnehmen abgenutzt wurde. Der Couchgag ist noch das beste daran, weil wenigstens er etwas von der liebenswerten Einfachheit früherer Jahre hat.
Punkte:[03]