• Hier noch ein Beitrag aus meinem Blog. Keine Ahnung, ob das hier irgendjemanden interessiert, aber prinzipiell geht es ja um ein Medienthema. Und wenn zum Thema Simpsons nichts mehr zu sagen ist, wendet man sich halt anderen Langzeitserien zu.


    Es geht um das Thema "Doctor Who". Kenner wissen, daß ich seit vielen Jahren ein großer Fan dieser langlebigen Serie bin, aber wie gewohnt natürlich "nur" der klassischen Serie. Meine Lieblingszeit der Serie liegt zwischen 1967 und 1973, in etwa zwischen den Folgen "Evil of the Daleks" und "The Green Death". Mein Lieblingsdoktor ist der geniale space hobo Patrick Troughton. Sicherlich hat auch der wohl berühmteste Doktor, Tom Baker, während seiner 7 Jahre Dienstzeit bis 1981 noch manch gute Folge, aber meine bevorzugte Baker-Ära endet etwa zu dem Zeitpunkt, als Produzent Phillip Hinchliffe wegen zuviel "Horror und Gewalt" in seinen Folgen abgesägt wurde. Spätere Baker-Folgen sind für mich etwas zu märchenhaft und "silly", ganz späte Folgen generell von Lustlosigkeit seitens Tom Baker geprägt. In dieser Zeit wurde auch John Nathan-Turner Produzent und hat die Serie in den 80ern an die Wand gefahren. Aber das würde jetzt zu sehr ins Detail gehen und ist ein anderes Thema.


    Wenn ich auf meine persönliche Schlußszene für klassischen Who deuten sollte, dann ist es für mich das Endbild von Douglas Adams "City of Death", als Romana und der Doktor in Paris winkend aus dem Bild verschwinden. Das ist für mich die definitive Schlußszene einer Ära, so wie z.B. der Schluß von "Summer of 4 Ft 2" für mich die Verabschiedung von den klassischen Simpsons ist. Dies aber nur als kurze persönliche Umschreibung meiner Ansicht. Prinzipiell kann man davon ausgehen, daß ich einen Großteil der existierenden Folgen aus den 60ern und 70ern kenne. Auch dort war die Qualität schwankend (Gurken wie den arg reaktionären "The Dominators" kann nicht mal Troughton retten), aber generell haben alle Klassiker meine Sympathie.


    Um nicht nur die Vergangenheit zu loben und der Gegenwart gegenüber ignorant zu sein, habe ich mir nun eine aktuelle Who-Staffel als Scheiberei angesehen, und zwar die aktuellste verfügbare Staffel 5 mit Matt Smith als Doktor. Und obwohl ich zum Teil durchaus angenehm überrascht bin, bestätigt mich der Eindruck doch in vielen Ansichten, und weiterhin auch darin, daß klassischer Who aus den 60ern und 70ern für mich persönlich die interessantere Serie ist und mir an der aktuellen Umsetzung doch einige zeitgeisttypische Merkmale auffallen.


    Ich könnte jetzt gerne in die üblichen Details gehen, wie z.B. die schnellen Schnitte und hastigen Kamerafahrten, den hibbeligen Doktor, den companion im 21st century tough girl/Lena-Meyer Landruth-style, die Szenen, in denen einem die Musik sagen soll, was man gerade zu fühlen hat, ziemlich dicke Plotlöcher kaschiert mit HD-CGI, kunterbunte Daleks vom Rummelplatz, das ständige und arg dicke Auftragen zum größeren story arc etc. Ebenfalls zum üblichen würde natürlich die Frage gehören, warum eine einzelne Handlung nicht genug Zeit bekommt, sich über 4 bis 10 Folgen auszubreiten, sondern eben in 45 Minuten abgehandelt wird, wobei sich galaktische Probleme oft durch hibbeliges rennen und babbeln lösen lassen (oder ein Plotloch oder einen Zauberer...). Aber meine Probleme mit der aktuellen Staffel lassen sich vielleicht auch kürzer auf einen Nenner bringen.


    Bei den alten Folgen war es oft so, daß mit wenig begonnen wurde, aber es am Ende Bilder und Ideen gab, die berührten und im Gedächtnis blieben. Bei den neuen Folgen scheint es mir oft, als wird viel versprochen, aber nach einigen effektiven Szenen und Ideen bröckelt alles recht schnell, weil die 45 Minuten Laufzeit vorbei sind oder die Action/Dialoge halt einfach schnell, bunt und digital-visuell beeindruckend sein müssen und einem ein story arc gerne dick unter die Nase gerieben wird. Es werden einem Mysterien, Action, schillernde HD-CGI und fremde Welten um die Ohren gehauen, aber viele Endbilder sind als schnelle Lösungen oft arg weit hergeholt und seltsam "sense of wonder"-los.


    Die alten Folgen hatten so manchen Quark und schlechte Effekte, aber dennoch die Qualität, Momente zu haben, die haften blieben. Man verzeiht einer Folge wie "Green Death" ihre mauen Effekte, weil sie mit echter Überzeugung Stunk gegen das Großkapital macht, und weil die melancholische Schlußszene mit dem einsamen Jon Pertwee wunderbar ist. Man verzeiht den Silurians (von 1970) den grottigen Soundtrack, weil sie ein Zeitgeistspiegel sind und weil der nette Doktor aus dem Weltraum am Ende ausgerechnet die guten Jungs (also die Menschen) als Mörder bezeichnet. Man verzeiht "Inferno" die grünen Hündchen, weil der Doktor verliert und es einen wunderbar atmosphärischen Weltuntergang gibt. Man verzeiht den "War Games" die extreme Plotdehnung auf 10 Teile, weil es neben so vielen guten Ideen einen wunderbaren Abschied von zwei Companions gibt. Und Jamies und Zoes Vergessen ihrer Reisen mit dem Doktor finde ich irgendwie trauriger, als die Behandlung ähnlicher Themen in aktueller Staffel 5. Und Patrick Troughtons Kuss of Zoes Stirn zum Abschied ist berührender, als popmusikalisch betonte Heulemotionen der Moderne.


    Das Problem ist vielleicht auch das Fehlen eines zeitgeistigen Backgrounds. Die klassischen Silurians funktionieren, weil sie ein Spiegel der politisch linken Ideen von Malcolm Hulke sind, der verklausuliert für eine Ko-Existenz mit der Sowjetunion eintritt. Außerdem stellen sie durchaus auch kritische Anregungen zum Thema Kapitalismus in der Wissenschaft dar, zum Thema Politik 1969/1970, zum Thema "Wie weit sollte man für Wissen gehen?" und noch manch andere Fragen. Es sind ja auch 175 Minuten Zeit dafür. Und der nette Doktor vom Kinderprogramm stellt sich am Ende hin, sieht die Menschheit an, und sagt "That´s murder..." Welches deutsche "Kinderprogramm" hätte wohl Anfang der 70er die Botschaft vertreten (siehe Silurians, Inferno, Claws of Axxos, Green Death etc), daß man den Autoritäten nicht vertrauen sollte? Und wie gesagt - für dieses Themenspektrum verzeiht man lasche Kostüme, dezent arroganten Pertwee und einen befremdlichen Soundtrack. Bei den aktuellen Silurians in der neuen Staffel (und mir ist durchaus klar, daß es eventuell die schwächsten Folgen in der neuen Staffel 5 sind) ist davon eigentlich nichts da. Es ist viel Gerenne, Klischees, CGI, unmotivierte voice-over und deus ex machina.


    Prinzipiell liegt der Unterschied für mich auch stark in der Person des Doktors. Dessen Überhöhung als Charakter begann allerdings auch schon in den 70ern als Tom Baker mal eben berichtete, da Vinci beim Malen geholfen, für Shakespeare ein Stück geschrieben und Newton die Gravition erklärt zu haben. Außerdem kamen immer mehr "Superkräfte" des Doktors dazu, um sich aus Problemen zu befreien - die märchenartige "Key to Time"-Staffel ist da symptomatisch. Diese Entwicklung ist in der modernen Serie auf die Spitze getrieben. Wo die klassischen Doktoren sagten "Let us put our wits together and defeat them" (oder auch mal zugaben, keinen Plan zu haben oder lieber weglaufen zu wollen) ruft der aktuelle Doc "I AM THE DOCTOR. RUN OR BE DESTROYED..." - und die bösen Jungs rennen. Und wenn ich persönlich die Wahl habe zwischen einem kleinen und etwas ängstlichen space hobo auf neugieriger Reise, der die Lösung zu einem Problem in einem Alltagsgegenstand in seinen weiten Hosen findet, und einem gottgleichen Doc, vor dessen Angesicht die dunklen Mächte fliehen und vor dessen sonic screwdriver sich die Mysterien verneigen, dann liegen meinen Sympathien klar beim kleinen space hobo. Bei dem verbarg sich nämlich subtil mehr hinter der Fassade.


    Es wird heute einfach auch sehr stark trivialisiert. War es am Ende sogar die klassische "Kinderserie", die ihr Thema ernster genommen hat? War früher das Thema Zeitreisen eines der großen Mysterien der Serie, macht es heutzutage im Whoniversum wohl ziemlich jeder. Man braucht keine TARDIS mehr, man springt mit einem kleinen Armbandspielzeug durch die Jahrtausende. Am Ende des Staffelfinales erhält der Doktor den königlichen Anruf, daß eine ägyptische Göttin im Orientexpress im Weltraum "on the loose" ist, was er mit einem fröhlichen Kommentar als Auftrag annimmt. Als zum letzten Mal ein ägyptischer Gott "on the loose" war (es war 1975) verging sogar Tom Baker das Grinsen. Mir ist auch klar, daß die Schlußszene der neuen Folge nur ein Gag ist, aber es ist dennoch irgendwie bezeichnend für die Trivialisierung - was früher bei Tom Baker die Kernidee einer düsteren Gothic-Folge war, ist heute ein Nebengag über die Coolness des Doktors. Paradoxerweise geht mit der Trivialisierung der Umstände auch eine Übermystifizierung von Doktor und TARDIS einher.


    Um zu einem Ende zu kommen: trotz aller negativen Argumente ist die aktuelle Staffel 5 mit Matt Smith für ihre Zeit durchaus gelungen. Und wenn man sich im 21. Jahrhundert eine Lieblingsserie sucht (was ich ja nicht tue), dann ist New Who sicherlich nicht die schlechteste Wahl. Die beindruckendste aktuelle Folge ist eventuell jene mit Van Gogh, besonders die Szene mit Van Gogh und Bill Nighy als Kunsthistoriker. Was ich jedoch nicht sehe, ist eine völlige Überlegenheit der aktuellen Serie in allen Bereichen. Da ist durchaus in manchen Aspekten eher das Gegenteil der Fall.


    Chris

  • Ich habe zwar nicht viel Ahnung von der Serie (ich sah lediglich einige Folgen mit David Tennant als den Doctor), aber deine Kritik hat mir sehr gut gefallen. Du machst den Eindruck, als hättest du dich mit dem, was du schreibst, intensiv auseinander gesetzt und dir einige Gedanken gemacht, ohne dass deine Kritik einseitig rüberkommt.
    Kannst du mir vielleicht erklären, wie die Serie mit Douglas Adams zusammenhängt? Auf Wikipedia wird er nicht erwähnt; oder ich habe seinen Namen überflogen :hmm:



    Achja, magst du mir deinen Block an dieser Stelle noch einmal verlinken? Ich denke, ich hab da einiges nachzulesen ;)



    Edit: Ich habe gerade bei Wikipedia weit genug nach unten gescrollt, um Adams zu finden ;)
    Und direkt darunter ein Querverweis zu den Simpsons :golly:


  • Achja, magst du mir deinen Block an dieser Stelle noch einmal verlinken? Ich denke, ich hab da einiges nachzulesen ;)



    Edit: Ich habe gerade bei Wikipedia weit genug nach unten gescrollt, um Adams zu finden ;)
    Und direkt darunter ein Querverweis zu den Simpsons :golly:



    Da Chris, wie er selbst sagt, momentan nicht ins Forum kommt antworte ich für ihn


    Die URL zum Blog lautet http://bruchbach.simpleblog.org/
    Noch ausführlicheres zu Adams und Who findest du hier. Generell halte ich in popkulturellen Fragen die englischsprachige Wikipedia für besser/ausführlicher als die deutsche, zumindest wenn es um den nicht-deutschsprachigen Raum geht. Ausreichende Englischkenntnisse vorrausgesetzt kann man da eigentlich immer zu allem was finden.

    An alle, die meinen, dass sie "wegen der Flüchtlinge" keine Arbeit, zu wenig Rente oder was auch immer haben: Ihr seid wie Homer!! und nicht nur deshalb ist diese Folge leider aktueller denn je!!

  • Zitat


    Da Chris, wie er selbst sagt, momentan nicht ins Forum kommt antworte ich für ihn


    Ah, das hab ich wohl überlesen.


    Zitat

    Die URL zum Blog lautet http://bruchbach.simpleblog.org/
    Noch ausführlicheres zu Adams und Who findest du hier. Generell halte ich in popkulturellen Fragen die englischsprachige Wikipedia für besser/ausführlicher als die deutsche, zumindest wenn es um den nicht-deutschsprachigen Raum geht. Ausreichende Englischkenntnisse vorrausgesetzt kann man da eigentlich immer zu allem was finden.


    Vielen Dank.
    Ja, ich habe noch ein paar Probleme mit dem englischen, hauptsächlich aus Gewohnheit. Auf den Gedanken, unter Douglas Adams nach Doctor Who zu suchen, kam ich aber aus reiner Schusseligkeit nicht.