Kritik zum 2009er Star Trek

  • Okely-Dokely, hier habe ich noch eine Filmkritik von mir:


    Nun habe ich mir mal wieder nach längerer Zeit einen aktuellen Film angesehen, nämlich den 2009er "Star Trek" von einem gewissem J.J. Abrams. Den kenne ich eigentlich bestenfalls vom Namen her, und nach dem Ansehen dieses Films verzichte ich gerne auf weitere Kontakte mit seinem Schaffen. Das ist nicht zufällig ein Pseudonym, hinter dem sich Michael Bay verbirgt, oder?


    Der Film wurde ja im Vorfeld schon mit "zeitgemäß" und "for a modern audience" bezeichnet - und das ist eigentlich die schlimmste Drohung, die es momentan für Filmqualität gibt. Und wenn man eine Reihe, deren eigentliches Evolutionspotential in Richtung Humanität und komplexere Fragenstellungen gehen sollte, zu einer hastig geschnittenen Popcorn-Nummernrevue macht, dann ist das ein Problem. Coole Helden, schnelle Schnitte, sexy Babes, Product Placement und viele Explosionen. So macht man einen gut zu verkaufenden Blockbuster im Jahr 2009.


    Man könnte sicher seitenweise Plotlöcher aufzählen, aber das würde schnell langweilig. Grundsätzlich sind viele der Plotlöcher wohl mit Stereotypisierung und Vereinfachung für mehr "Speed" verbunden. Warum nutzt Nero seine Zeitreise nicht dazu, um Romulus zu warnen? Warum rettet er nicht einfach seine Welt und verhindert die Supernova nun wirklich rechtzeitig? Stattdessen MUAAAARG. EVIL. REVENGE. DIE, FEDERATION, DIE. Seine Mannschaft folgt ihm kommentarlos und rechtfertigt damit ihre Existenz als finstere Gesellen von außerhalb, die man wortlos über den Haufen schießen darf. Ich habe auch meine Zweifel, daß die Comicreihe zum Film mehr Sinn in die Sache bringt.


    Sehen wir uns den Plot mal an. Wir haben einen ungeschliffenen, jungen Soldaten, in dem aber schon das Potential für militärische Größe schlummert, da bereits sein Vater wußte "No sacrifice, no victory". Wir haben den Auftritt des commanding officer und weisen Mentors. Der Held fügt sich in das System ein, bleibt aber pseudo-rebellisch. Wir haben einen (arg sinnbefreiten) Notfalleinsatz für die gesamte Rookie-Staffel. Der Held beweist sich und klettert in der Hierarchie. Eine undisziplinierte Nebenfigur hält sich nicht an die Regeln und wird zur Heldenwarnung gegrillt. Die Feinde sind alle so böse, daß sie kommentarlos gegrillt, aufgespießt und über den Haufen geschossen werden. Es gibt ein paar Hierarchie-Streitereien. Der Held kehrt zurück und der Streit um das Alpha-Männchen wird mit einer Prügelei gelöst. Anschließend wird der commanding officer aus der Kriegsgefangenschaft befreit und noch mehr Glatzköppe über den Haufen geschossen. Am Ende gibt es Lob vom Mentor. You are a soldier now. Der Held hat erkannt, daß "Ehre" und Freundschaft im militärischen System der richtige Weg sind und wird sein Rebellentum zukünftig für die richtige Sache einsetzen.


    Das Aussetzen von Kirk auf dem monsterverseuchten Eisplaneten (krasse Aktschn) ist derart absurd, daß ich für eine ganze Weile dachte, es sei vielleicht ein Traum und Kirk liegt in seiner Arrestzelle auf der Enterprise. Aber nein, das Plotkonstrukt ist ernst gemeint. Die Gesetze der Logik und der Physik kriegen eines auf den Deckel, aber die vielen Explosionen sind dafür echt super. Meh. Es ist ja schön, wenn man dickes Budget für Effekte hat, aber was hat man eigentlich von den Effekten, wenn derart hastig und verwackelt rumgeschwenkt und rumgeschnitten wird? Ich würde mir gerne einen Effekt in Ruhe ansehen, vielleicht etwas "sense of wonder" entdecken. Stattdessen gibt es WUSCH WUSCH WUSCH und hastige Schnitte, Schwenker und Dreher, daß man nicht mehr hinsehen mag.


    Überhaupt wird der ganze Sinn für Zeit und Drama auf dem Altar des Speed geopfert. Gerade in den Trek-Serien/Filmen war es bisher auch immer so, daß der Weg mit das Ziel war, daß Reisen gedauert haben und sich Einsichten oder Plotlinien dazu parallel entwickelt haben. Nicht so hier. Die Enterprise bricht von der Erde auf, es macht überall WUSCH WUSCH WUSCH. Es wird hastig gerannt und geschnitten, ein bißchen Comedy und flugs heißt es auf der Brücke, daß man in fünf Sekunden am Ziel eintrifft. Say what? Der Rückweg gestaltet sich länger, weil die Laufzeit gefüllt werden muß. Technik ist immer dann richtig schnell und gut, wenn es dem Plot passt. Superunauffindbarer Superwarp und Stop auf den Meter genau? Kein Problem, dann braucht man keinen wirklichen Plan. Der Genozid an den Vulkaniern wird mit einer Beiläufigkeit zwischen die Action gestellt, daß es einen fast schaudert.


    Mit dem Auslöschen der bisherigen Zeitlinie unterstreicht der Film auch eine anderen Mentalität des 21. Jahrhunderts - wenn etwas nicht passt, wird es künstlich passend gemacht. Nun ist der Weg frei für eine militärische 5-Jahres-Mission, bei der die Phaserbänke schon geladen sind, die Helden noch mehr über Ehre und Föderation lernen können und sich irgendwann auch entscheiden wird, welcher Soldat nun mit dem sexy Babe dauerhaft in die Kiste springen darf. Meh.


    Wie üblich stellt sich am Ende natürlich auch die Frage, wie anders der Film hätte werden können. Hatte nicht auch der vorherige Film "Nemesis" schon starke Qualitätsprobleme, nicht zuletzt durch seinen obskuren Schurken, einen glatzköpfigen Romulaner, der die Föderation zerstören wollte? In der Tat hatte er das. Aber wie schon in anderen Fällen ist der "zeitgemäße" Neustart einer Filmreihe hier eben noch desaströser, weil er der Franchise essentielle Qualitäten nimmt, die sie bisher noch halbwegs von anderen Produkten unterschieden haben. So mag es denn wieder bezeichnend für das 21. Jahrhundert sein, daß der Film hinter all seinem Blendwerk und seiner "Modernität" nun keine Zukunft im humanistischen Sinn mehr reflektiert, sondern eher archaisch-militärische Werte.


    Chris