Michael Bay haut den Megatron

  • Im Folgenden eine Kritik zum ersten Transformers-Film, die ich wohl irgendwann im letzten Jahr geschrieben hatte. Inzwischen habe ich übrigens leider auch den zweiten Film gesehen, aber der ist erst recht keinen Kommentar mehr wert.


    Eine kleine Kritik von mir zum Transformers-Kinofilm vom letzten Jahr bzw. zum generellen Filmschaffen von Michael Bay. Eigentlich für eine andere Stelle geschrieben, aber ich denke es wird auch hier Interesse finden.


    Mein "Lieblingsfeindbild" unter den aktuellen Blockbuster-Regisseuren – Mr. Michael Bay – hat sich ja nun im letzten Jahr am „Transformers“-Film versucht. Und da ich gerne auch mal auf dem Laufenden über aktuelle Entwicklungen im Filmbereich bin (es erleichtert gewisse Ablehnungen und gibt ihnen eine objektivere Basis), habe ich mir den Film nun vor einigen Wochen tatsächlich mal angesehen.


    Vorausschauend sollte man sich prinzipiell fragen, was man denn von einem Blockbuster überhaupt erwarten sollte. Hat diese Kategorie von Film einen Freibrief für Quark, Plotlöcher und mangelnden Respekt für den Zuschauer? Ich glaube nicht. Auch bei einem Blockbuster sollten Ideen, Szenen, Dialoge, Wirkungen etc. dauerhafte Eindrücke hinterlassen und nicht nur popkulturelles CGI-Wischiwaschi sein. Beispiele wie klassisches Star Wars, die ersten drei Indiana-Jones-Filme oder (semi-aktuell) zumindest das erste Abenteuer von Captain Jack Sparrow zeigen, dass es möglich ist und erwartet werden kann – zumindest bei so manch anderem Regisseur.


    Es gibt IMO stets vier deutliche Indizien, dass man sich gerade einen aktuellen Bay-Film ansieht. Dies ist oftmals der Fall, wenn man nicht so recht weiß, ob man:


    a.) von dem Effektgewitter Kopfweh bekommen
    b.) die im product placement beworbenen Produkte kaufen
    c.) dem militärischen Machismo salutieren
    d.) oder den Film schlicht in die Tonne treten soll


    Und auch die „Transformers“ passen recht gut in dieses Indiziensystem.


    Viel ist (z.B. auf imdb) über die immensen Plotlöcher geschrieben wurden, die nun alles andere als Respekt für den Zuschauer zeigen. Warum fahren die Helden noch mal den obskuren McGuffin aus der Wüste ausgerechnet in eine dicht bevölkerte Großstadt, obwohl sie dabei mit 100%iger Sicherheit von den bösen Robotern verfolgt werden? Die Großstadt darf übrigens nicht Los Angeles sein (was es ist), denn das wäre doch auffallend weit vom Hoover-Damm entfernt. Warum bringen die Helden den McGuffin ausgerechnet zu einem Hubschrauber, wo doch mehrere der Roboschurken fliegen können? Dies nur als Auswahl.


    Ein eher selten erwähntes Beispiel für ein Plotloch, dass aber gut eine versäumte Chance aufzeigt: an einer Stelle wird erwähnt, dass alle moderne Technologie rein durch reverse engineering an Oberschurke Megatron entstanden ist. Nur wie zum diddly betreibt man reverse engineering an einem intakten Eiszapfen? Hat man ihn in seine Einzelteile zerlegt, wieder zusammengebaut und neu eingefroren? Näh.


    Der interessante Punkt wäre hier gewesen, dass alle irdische Technologie inhärent böse wäre (wenn vom Allspark zum Leben erweckt), da sie eben auf dem bösen Megatron aufbaut. Nur leider traut sich der Film diesen kritischen Punkt unter seinem technikbegeisterten Regisseur nicht wirklich zu und streift ihn bestenfalls am Rande. Daß er nebenbei auf obigem Filmfehler bzw. Fehlverständnis von reverse engineering aufbaut, stört hier natürlich zusätzlich.


    Die Dialoge von sowohl CGI-Robotern (die Bay nicht wirklich ernstnimmt, sondern eher als Effektclowns und Stereotype inszeniert) als auch menschlichen Darstellern sind teilweise auffallend schrecklich. Auch auf biologischer Seite bedient Bay natürlich die üblichen Stereotypen: kewle Helden, die für ihre Nation eintreten. All-American-Kids, die Heldenmut und Ehre lernen. US-freudige Araber. Lustige Inder. Dicke Neger, die kreischend durch Scheiben springen.


    Was dem Film auch etwas seine Unschuld (?) als belangloser Quark nimmt, ist die häufige Atmosphäre eines Pentagon-Werbespots (wie Bay auch im eigenlobenden Audiokommentar freudig betont: „I have a phone number at the pentagon...“) und die Parolendrescherei: „You are a SOLDIER now...“, „Losing is no option for these guys (<= US-Militär)“, das mehrfach wiederholte „No sacrifice, no victory...“ und so einiges mehr. Subtilität war zum Glück noch nie Bays Stärke, daher sind diese militaristischen Strömungen doch auffallend plump und erkennbar. Mir ging eigentlich nur noch eine Szene ab, in der die guten Roboter am Ende vor einer US-Flagge salutieren. Aber zumindest metaphorisch wird dies durchaus gemacht.


    Was man dem Film natürlich als Erfolgsprodukt zugute halten muss: der Regisseur weiß als alter „Werbehase“, wie er auf der Klaviatur eines vorzugsweise pubertären Publikums zu spielen hat – und das auf mehreren Ebenen. Ein guter Film wird deswegen aber nicht daraus.


    Es gibt unter all den ziemlich schrecklichen Dialogen eine Szene, die den Stil des Films vielleicht besonders gut exemplarisch definiert. Wir haben im Vorfeld der Szene so etwa zehnmal gehört, dass der Eiszapfen den Namen Megatron trägt. Und was ist der erste Satz, den unser Freund spricht? „I am Megatron...“. Hey. Also da wäre ich nie drauf gekommen ;-).


    Dies gesagt, stellt sich eine andere Frage: wie hätte denn ein guter Film aussehen sollen, der auf einer Cartoonserie zu einer Modellreihe von 80er-Jahre-Kinderspielzeug basiert und eine derart absurde Grundidee hat? Hat das Thema nicht genau die Sorte von Film bekommen, die es verdient? Also worüber beschwere ich mich eigentlich mit so vielen Worten?


    Nun muss ich zugeben, dass ich die ursprüngliche 80er Cartoonserie nicht kenne. Was aber IMO auch nicht nötig ist, um den Film als misslungen zu erkennen. Kenner und Transformer-Geeks im Web erklären zumindest, dass selbst der klassische Kiddie-Cartoon vielschichtigere und komplexere Charaktere und Zusammenhänge hatte, als der Bay-Film. So ist etwa (und ich schreibe nun rein vom Hörensagen) der gute Transformer/Autobot Bumblebee im Cartoon ein gelber VW Käfer (daher der Name) und damit der Kleinste und Schwächste der Roboter. Er muss von seinen „Kollegen“ beschützt werden und stellt damit ein Bindeglied zwischen den Super-Robotern und den noch verletzlicheren Menschen dar. Ein im Prinzip durchaus interessanter Ansatz.


    Im Bayschen Weltbild dürfte dafür kein Platz sein. Bezeichnenderweise ist Bumblebee im Film denn auch zumeist ein geschniegelter, hyperaktueller All-American-Sportwagen oder Popsong- babbelnder Robo-Haudrauf. Das ist nur ein Detail, aber ein Aufschlussreiches.


    Wie hätte man nun einen solchen Film machen können? Gibt es überhaupt Potential in all diesem ganzen Plastik-Spielzeug-Background? Vielleicht hätte man etwas machen sollen, dass niemand von diesem Material ausgehend erwartet hätte.


    Eine Reflektion über eine uralte Maschinenzivilisation und ihren Ursprung jenseits von Klischeephrasen der Marke „Before time began...“? Ihre Moral und Ethik? Die Gründe für überlegene Maschinen, die Menschen beschützen zu wollen? Auch die Frage, warum eine Sorte von Robotern die Erde in eine Technokratie verwandeln wollen, eine andere Sorte von Robotern aber dagegen kämpft, obwohl sie selbst Maschinen sind? Nähere Einsichten zum Thema, dass die Menschheit nicht selbst in der Lage war, Hochtechnologie zu entwickeln, sondern alles durch reverse engineering aus einer inhärent „bösen“ Quelle kopiert wurde.


    Gerne durchaus mit Humor und Action, aber gerne mit irgendwas dazwischen. Und irgendwie wäre alles besser gewesen, als der slapstick-garnierte Pentagon-Werbespot mit allen typischen Zutaten eines generischen Bay-Werkes. Vielleicht hätte man das Material Tim Burton geben sollen und sehen, was er daraus gemacht hätte. Das Resultat hätte dann zwar wohl weder den Transformer-Geeks, noch den Blockbuster-Fans, gefallen. Aber interessant wäre es gewesen.


    Chris